Was Löwenzahn, Tulpe und Orchidee mit Sensibilitätsgruppen zu tun haben

Hast du schon mal von der Blumen- Metapher der „Orchidee“ gehört, die im Zusammenhang mit Hochsensibilität oft genannt wird? Denn Menschen mit einer erhöhten Wahrnehmungsfähigkeit werden gerne als „Orchideen“ bezeichnet. Warum das so ist und ob es auch solche Blumen- Metaphern für die anderen Sensibilitätskategorien gibt, möchte ich dir in diesem Blogartikel einmal vorstellen.

Erste Forschungsergebnisse in Russland zeigten Unterschiede im Nervensystem

Bereits der russische Physiologe Iwan Pawlow führte Anfang des 20. Jahrhunderts Studien zur objektiven Messbarkeit der Empfindlichkeit von Menschen durch. Und dabei zeigte sich, dass 15–20 % dieser Menschen viel schneller einen Punkt erreichten, an dem der Lärm, dem sie ausgesetzt wurden, für sie unerträglich wurde und ihnen so viel Stress bereitete, dass sie eine Schutzposition einnahmen. Dieser Anteil von Menschen schien also viel sensibler auf ihre Umwelt, in dem Fall laute Geräusche, zu reagieren, als die restlichen 80% der Testpersonen. Pawlow zog daraus den Schluss, dass sich die Nervensysteme dieser beiden Gruppen deutlich unterscheiden in ihrer Sensitivität auf äußere Reize.

Diese Erkenntnis von Pawlow wurde in einigen später durchgeführten Studien auch von anderen Wissenschaftlern gefunden und somit wiederholt bestätigt. Und wie schon Pawlow fanden andere Forscher bei Tieren ebenfalls eine Gruppe von 15 – 20%, die sensibler auf ihre Umwelt reagieren.

Als die US-amerikanische Psychologin Elaine Aron dann in den 1990er Jahren die erhöhte Sensibilität bei sich selbst „entdeckte“, führte sie daraufhin viele Studien dazu durch und wird als Pionierin auf dem Gebiet der Hochsensibilität angesehen. Sie prägte die Begriffe „Sensory Processing Sensitivity“ (SPS) für die mittlerweile allgemein wissenschaftlich anerkannte „Umwelt- Sensibilität“ und „Highly Sensitive Person“ (HSP) als Bezeichnung der 15-20% Menschen mit erhöhter Wahrnehmungsfähigkeit.

Die Einführung der Blumen- Metaphern

Lange Zeit ging man also davon aus, dass es zwei verschiedene Gruppen von Menschen gibt, die sich in ihrer Sensibilität gegenüber Umweltreizen unterscheiden. Auch Elaine Aron sprach anfangs von ca. 20% hochsensiblen Menschen und 80% normal sensiblen oder nicht- hochsensiblen Menschen.

Der Kinderarzt und Psychiater Thomas Boyce und der Entwicklungspsychologe Bruce Ellis, die ebenfalls aus den USA stammen, führten schließlich in ihrer Veröffentlichung 2005 über ihre Theorie „Biological Sensitivity to Context“ („Biologische Sensitivität gegenüber Umwelteinflüssen“) die anfangs erwähnte Blumen- Metapher ein. Ursprünglich aus der schwedischen Kultur stammend, die zwischen Orchideen- Kindern und Löwenzahn- Kindern unterscheidet, verbanden die beiden Forscher diese Blumen darin mit den zwei Sensibilitätskategorien. Sie bezeichneten die hochsensiblen Menschen als Orchideen und die normal sensiblen bzw. nicht- hochsensiblen Menschen als Löwenzähne.

Hier sind dazu zwei anschauliche Bilder, die ich von einer zur Verfügung gestellten Präsentation von Dr. med. Cristina Pohribneac (damalige Chefärztin der Parkklinik Heiligenfeld in Bad Kissingen) aus ihrem Vortrag im Rahmen des 2. HSP-Symposiums der Heiligenfeld Kliniken 2018 entnommen habe:

Boyce und Ellis wollten mit ihrer Blumen- Metapher darauf hinweisen, dass hochsensible Menschen durch ihre andere Wahrnehmung der Umwelt und der anderen Reizverarbeitung im Gehirn auch andere Bedürfnisse haben und sich, wie Orchideen, am besten entwickeln und „besonders schön blühen“ können, wenn ihr Umfeld diese Bedürfnisse unterstützt. Das bedeutet auch, dass sich hochsensible Menschen in einer für sie und ihre Bedürfnisse ungünstigen Umgebung nicht gut entwickeln, oft sehr gestresst sind und langfristig sogar Schaden nehmen können.

Boyce und Ellis gingen im Gegenzug davon aus, dass die nicht- hochsensible Mehrheit somit keine besondere Umgebung braucht, um Wachsen und Blühen zu können, wie das bei Löwenzahn eben der Fall ist. Denn dieser wächst ja sogar durch Asphalt und lässt sich von ungünstigen Umständen kaum beeindrucken, weshalb für nicht- hochsensible Menschen die Löwenzahn- Metapher gewählt wurde.

Doch ist es tatsächlich so, dass es „nur“ diese zwei Sensibilitätsgruppen gibt, also eine normal sensible Mehrheit von 80% und eine hochsensible Minderheit von 20%?

Der Entwicklungspsychologe Prof. Michael Pluess von der Queen Mary University of London hat sich, zusammen mit seinem Team, diese Frage vor einiger Zeit auch gestellt und die Gruppe der nicht- hochsensiblen Mehrheit einmal genauer angeschaut. Er ist mittlerweile ein führender Experte für Sensibilität bei Kindern und Erwachsenen und leitet mehrere große Forschungsprojekte zur Sensitivität auf der ganzen Welt. Zusammen mit Francesca Lionetti et al. veröffentlichte Michael Pluess 2018 die Ergebnisse ihrer Studie „Dandelions, tulips and orchids: evidence for the existens of low- sensitive, medium- sensitive and high- sensitive individuals“, die aufzeigt, dass es statt zwei tatsächlich drei Sensibilitätsgruppen zu geben scheint.

Dazu sind hier nochmal zwei Bilder von Dr. med. Cristina Pohribneac aus der Präsentation ihres Vortrags im Rahmen des 2. HSP-Symposiums der Heiligenfeld Kliniken 2018:

Sie stellten in ihrer Studie fest, dass etwa 30% eine besonders hohe Sensibilität aufwiesen, welche für sie die Gruppe der „Orchideen“ darstellt. Dem gegenüber konnten die Forscher aber auch eine Gruppe von etwa 30% mit relativ geringer Sensibilität identifizieren und ordneten diese den „Löwenzähnen“ zu. Tatsächlich fanden Michael Pluess und sein Team aber noch eine dritte Gruppe mit einem mittleren Sensibilitätsniveau, welches somit zwischen Orchideen und Löwenzahn liegt und mit 40% die größte der drei Gruppen darstellt. Sie nannten dann in Anlehnung an die Blumen- Metapher diese Gruppe „Tulpen“, da sie nicht so robust wie Löwenzahn, aber auch nicht so zart wie Orchideen sind.

Diese Ergebnisse zeigen somit, dass sich die Wahrnehmungsfähigkeit von uns Menschen in Form einer Normalverteilung von niedrig bis hoch zeigt, wobei sich die Menschen in drei Sensibilitätskategorien zuordnen lassen, die Übergänge dabei aber fließend sind.

Fazit:

Während man lange Zeit davon ausging, dass es bei uns Menschen (und auch bei Tieren) eine kleine Gruppe von ca. 15 bis 20% gibt, die sensibler auf ihre Umwelt reagiert, und eine Mehrheit von etwa 80% eben als nicht- hochsensibel angesehen wurde, gibt es mittlerweile ein differenzierteres Bild dazu.

Man kann sich demnach die Umweltsensibilität als ein Spektrum von niedrig bis hoch vorstellen, in dem sich einige Menschen in die Gruppe der niedrig Sensiblen, andere in die Gruppe der mittel Sensiblen und wieder andere in die Gruppe der Hochsensiblen zuordnen lassen.

Bezogen auf die jeweils etwas anderen Bedürfnisse wurden den drei Gruppen entsprechende Blumen- Metapher zugeordnet, wobei die niedrig Sensiblen als Löwenzahn, mittel Sensible als Tulpen und Hochsensible Menschen als Orchideen bezeichnet werden.

Es ist durchaus hilfreich, für sich selbst einmal zu reflektieren, in welche Gruppe man sich zuordnen würde, denn daraus resultieren eben unterschiedliche Bedürfnisse und Voraussetzungen für eine förderliche Umgebung, um sich wohlzufühlen, wachsen und „aufblühen“ zu können.

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