Was bewirkt Stress in deinem Körper und was kannst du dagegen tun? – ein kurzer Überblick

Ob privat oder im Arbeitsalltag: Stress kennen wir wohl alle sehr gut. Mittlerweile zeigen wiederholt durchgeführte Stress- Studien (zum Beispiel von verschiedenen Krankenkassen), dass seit über 10 Jahren der Stresslevel von uns Menschen stetig zunimmt. Warum das so ist, soll jetzt allerdings nicht Inhalt dieses Artikels sein.

Da es mir in meiner Arbeit als Psychologische Beraterin & Gesundheits-/Mentalcoach wichtig ist, den Menschen verschiedene Möglichkeiten an die Hand zu geben, selbst etwas für sich tun zu können, möchte ich dir in diesem Blogbeitrag eine kurze Übersicht geben, was Stress in deinem Körper bewirkt und was du gegen deinen Stress tun kannst.

Was ist Stress eigentlich?

Ganz knapp formuliert ist Stress ein Zustand körperlich- psychischer Anspannung. Es gibt natürlich auch etwas ausführlichere Definitionen, zum Beispiel von Richard Lazarus (US- amerikanischer Psychologe):

Stress ist jedes Ereignis, bei dem eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen Anforderungen (fremd oder selbst gestellt) einerseits und den eigenen Reaktionskapazitäten andererseits besteht.

 Richard Lazarus, 1982

Mit dieser Definition wird schnell klar, dass Stress etwas sehr Individuelles ist. Denn welche Reaktionskapazitäten ich selbst auf bestimmte Ereignisse habe und wie ich solche Situationen bewerte, hängt nun mal ganz von mir selbst ab.

Der österreichisch- ungarische Mediziner und Hormonforscher Hans Selye hat sehr viel zum Thema Stress geforscht und wird auch mitunter als „Vater der Stressforschung“ bezeichnet. Durch ihn ist die Unterscheidung von Stress in einen „Eu- Stress = gut“ und „Di- Stress = schlecht“ entstanden. Dabei steht der Eu- Stress für eine körperlich- psychische Anspannung durch Situationen, die positiv herausfordern, Freude bringen und von froher Erwartung geprägt sind. Demgegenüber gibt es beim Di- Stress eine hohe Anspannung aufgrund von gefühlter Bedrohung, Angst und/ oder Gefahr.

Auch durch diese Unterscheidung wird ersichtlich, dass es individuell sehr verschieden ist, wann sich jemand gestresst fühlt und wie stark das Stressempfinden ist (Eu- oder Di- Stress). Ich möchte das mal am Beispiel „Bungee- Jumping“ verdeutlichen: Die eine Person hat daran super viel Spaß, genießt schon fast den Nervenkitzel dabei und sieht das als positive Herausforderung an (= Eu- Stress). Dagegen hat eine andere Person so viel Angst davor und unüberwindbare Hürden im Kopf, dass sie so einen gefährlichen Sprung niemals machen würde und sich schon nervös und gestresst fühlt, wenn sie nur daran denkt (= Di- Stress).

Was bewirkt Stress in deinem Körper?

Hier muss unterschieden werden zwischen kurzfristigen Auswirkungen durch akuten Stress und langfristigen Auswirkungen durch chronischen Stress.

Akuter Stress bedeutet, dass der Stress nur vorübergehend ist und dass du wieder in die Entspannung zurückkommst und dich gut erholen kannst, wenn die stressauslösende Situation vorbei ist. Kurzfristige Auswirkungen von Stress sind:

  • Nervosität und Gereiztheit
  • vermehrte Adrenalin- u. Noradrenalinausschüttung, etwas zeitversetzt auch Cortisolausschüttung
  • erhöhte Aktivität des Herz- u. Kreislaufsystems/ erhöhter Puls
  • erhöhte Muskelanspannung
  • Energiereserven werden mobilisiert
  • Erhöhte Konzentration
  • aber auch verringerte Aufmerksamkeit und Fahrigkeit möglich, wodurch die Handlungen ineffektiv werden

Kannst du dich allerdings nicht wieder erholen, da deine Anspannung weiterhin hoch bleibt und immer wieder neue Stressoren auf dich zukommen, wird dieser Stress chronisch. Langfristige Auswirkungen von anhaltendem Di- Stress können sein:

A) Emotionale Signale:

  • Gereiztheit, leicht wütend werden, ruhelos, schnell in Tränen ausbrechen, Angstgefühle, Einsamkeitsgefühl
  • schlechte Laune, depressive Verstimmtheit, fehlende Lebensfreude
  • Besorgtheit, Alpträume, Schlafprobleme

B) Mentale Signale:

  • geistige Müdigkeit, Unkonzentriertheit, Zerfahrenheit, Gedächtnislücken
  • Ablehnung von Arbeit oder von Veränderungen, geistige Unflexibilität
  • pessimistische Sichtweise, negative Selbstgespräche, Grübeln
  • Gefühl von permanentem Zeitdruck, kein Abschalten der Gedanken mehr möglich

C) Verhalten:

  • Vermeiden von Kontakt, Rückzug von sozialen Beziehungen
  • Stimmungsschwankungen
  • verändertes Essverhalten (Heißhunger- Attacken, Appetitlosigkeit, unregelmäßiges Essen)

D) Schwierigkeiten bei:

  • der Bewältigung des Alltags, der Lebensgestaltung, der Arbeit
  • sozialen Beziehungen

E) Körperliche Signale:

  • physische Erschöpfung/ anhaltendes Müdigkeitsgefühl
  • Bluthochdruck, Herz- Kreislauferkrankungen
  • Immunabwehrschwäche
  • Verdauungsstörungen, Zähneknirschen (nervöse Angewohnheit)
  • unregelmäßiger Menstruationszyklus
  • Schlafstörungen, Unruhezustände, vermehrtes Schwitzen

Mit dieser Übersicht kannst du bei dir herausfinden, ob Stress bei dir ein Thema ist und ob er akut und somit zeitlich begrenzt oder bereits chronisch ist.

Was kannst du gegen deinen Stress tun?

So wie es kurzfristige und langfristige Auswirkungen von Stress gibt, lassen sich auch die Maßnahmen zur Stressbewältigung in kurzfristig und langfristig unterteilen. Bevor ich darauf eingehe, welche das sind, möchte ich dir beschreiben, wann du welche Maßnahme einsetzen könntest.

Kurzfristige Stressbewältigungsmaßnahmen sind sinnvoll, wenn…

  • du die Ursache einer Belastung nicht verändern kannst oder willst
  • du dich in einer akuten Stresssituation befindest und wieder kühlen Kopf gewinnen möchtest
  • du bemerkst, dass deine eigene Erregung zu hoch ist und du sie senken möchtest
  • du einen Aufschaukelprozess vermeiden möchtest

Langfristige Stressbewältigungsmaßnahmen sind besonders wirksam, wenn…

  • du die Ursache einer Belastung verändern, beseitigen oder reduzieren willst und kannst
  • eine Belastung vorhersehbar ist und du dich darauf vorbereiten willst

Du kannst also in Stresssituationen kurzfristig auch immer etwas tun, um deinen Stresslevel zu reduzieren, damit dich dieses Ereignis in diesem Augenblick nicht so viel Ressourcen und Energie kostet.

Was kannst du nun tun, um deinen Stress kurzfristig zu reduzieren?

Natürlich ist da körperliche Betätigung immer gut, um dem evolutionsbedingt, erlernten Impuls von Kampf oder Flucht in dir nachzugeben. Bewegung baut aktiv Stresshormone ab, denn vor allem Adrenalin sammelt sich in den Muskeln an. Außerdem hilft Bewegung dir, deinen Körper besser zu spüren, verlagert recht schnell deine Aufmerksamkeit aus dem Kopf in deinen Körper und bringt dadurch einen emotionalen Ausgleich. Außerdem aktiviert Bewegung schon nach kurzer Zeit deinen Parasympathikus, der für Entspannung, Ressourcenaufbau und Erholung zuständig ist.

Eine andere kurzfristige Stressbewältigungsmaßnahme wäre Ablenkung und ein bewusstes „aus der Situation aussteigen“. Das kannst du durch einen sogenannten Separator machen, wodurch du eine aktive Unterbrechung der aktuellen Situation bewirkst, die deinen bisherigen Zustand verändert und in einen anderen nicht- stresserzeugenden Zustand führt.  Das kann zum Beispiel eine Tasse Tee oder Kaffee sein oder ein Anruf bei deiner besten Freundin oder besten Freund. Du kannst aber auch einfach mal eine kurze Weile auf der Toilette verschwinden und dadurch aus einer Stresssituation aussteigen, für dich alleine sein und kurz durchatmen. Das schafft Distanz und hilft akut hochkochende Gefühle zu beruhigen und loszulassen. Überlege gerne einmal, was dir als „Ausstieg/ Separator“ kurzfristig helfen könnte!

Wenn du viele negative Gedanken im Kopf hast und/ oder sich alles um dich herum überschlägt, kannst du mit einem bewussten „Gedankenstopp“ ebenfalls einen Separator setzen und dich ablenken. Die negativen Gedankenketten können aktiv unterbrochen werden durch tatsächlich lautes Aussprechen des Befehls „STOPP“. Du kannst diesen Vorgang unterstützen, indem du dazu noch mit der flachen Hand z.B. auf den Oberschenkel schlägst oder dir das Wort „Stopp“ mit grellen Farben auf ein Plakat geschrieben vorstellst. Sehr hilfreich ist es dann, wenn du dir anschließend eine wohltuende, stressreduzierende Affirmation sagst, wie z.B. „Ich bin vollkommen ruhig und gelassen“ oder „Ich bin die Ruhe selbst“.

Und natürlich kannst du durch verschiedene kurze Entspannungs- oder Atemübungen deinen Stress auch kurzfristig reduzieren. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, um durch kleine, nur wenige Minuten dauernde Übungen, die du zwischendurch machen kannst, aus der Situation auszusteigen, Energie zu tanken und dich von der stressigen Situation etwas zu erholen.

Erlebst du allerdings über längere Zeit Stress und bist immer wieder verschiedenen Stressoren ausgesetzt, dann können dir langfristige Maßnahmen besser helfen.

Was kannst du tun, um deinen Stress langfristig zu reduzieren?

Wenn du chronisch unter Stress stehst, können dir die kurzfristigen Maßnahmen zwar auch eine kurzfristige Entlastung bringen, allerdings ist es dann sinnvoll nochmal anders an deinen Stress und dessen Bewältigung heranzugehen. Denn chronischer Stress kann dich mit der Zeit auf die ein oder andere Art krank machen.

Um dem entgegen zu wirken, kann es hilfreich sein, eine Methode zur systematischen Entspannung zu erlernen. Damit sind Entspannungsmethoden, wie die Progressive Muskelentspannung n. Jacobson, Autogenes Training, Yoga und Qi Gong/ Tai Chi gemeint, welche dir mit längerer Übung eine immer bessere Gelassenheit und Selbstwahrnehmung bringen. Aber auch das Erlernen von Atemübungen, Meditation und Achtsamkeit können dich unterstützen, deinen Stress langfristig zu reduzieren.

Desweiteren hilft dir, deinem Körper, Geist und Seele ein gesunder Lebensstil, um gut für dich zu sorgen, vor allem in stressigen Zeiten. Aber natürlich auch, um aktiv einen Gegenpol zum permanenten Anspannungs- und Aktivierungszustand zu schaffen. Ein gesunder Lebensstil beinhaltet eine gesunde und proteinreiche Ernährung (Vitamine C, D, B1, B2, B6, B12, Magnesium, etc.) und die tägliche Aufnahme von viel Flüssigkeit (im Stresszustand verliert der Körper viel Flüssigkeit), regelmäßige Bewegung, regelmäßig entspannen/ Auszeiten nehmen, ausreichend und guter Schlaf und eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Freizeit.

Ein ganz wichtiger Aspekt bei der langfristigen Stressbewältigung und Aufbau von Resilienz ist die soziale Unterstützung durch Freunde, Familie, aber auch der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, eine Fachberatung, Supervision oder Coaching. Dazu kann es dir helfen, wenn du dir mal etwas Zeit nimmst und überlegst: Welche Menschen können dich bei Schwierigkeiten oder Stresssituationen unterstützen? Wer vermittelt dir das Gefühl „Was du nicht alleine schaffst, schaffen wir zusammen“? Wie können sie dir dann ganz konkret helfen?

Stress entsteht zum großen Teil in dir selbst, also in deinem Kopf! Deshalb kann es auf lange Frist sehr hilfreich sein, deine Einstellungen und dein eigenes Verhalten zu überprüfen und gegebenenfalls zu verändern. Zum einen kann es helfen, dir deine Stressauslöser und deine Reaktionen darauf bewusst zu machen und auch deine stressverstärkenden Muster kennenzulernen. Solche Stressverstärker sind zum Beispiel schädigende Glaubenssätze oder auch „innere Antreiber“, die dich meist unbewusst beeinflussen. Die „inneren Antreiber“ sind quasi „der kleine Mann im Ohr“, der dir sagt: „Sei perfekt!“ oder „Mach es den anderen recht!“.

Es würde sich langfristig für dich sehr lohnen, wenn du deine inneren Antreiber oder auch andere stressverstärkende Glaubenssätze herausfindest und dann in positive, wohltuende Sätze umwandelst. Die Veränderung deiner Einstellungen und deines Verhaltens im Umgang mit Stress brauchen natürlich Zeit und Geduld und manchmal auch ein paar Impulse von außen, zum Beispiel von einem Coach.

Fazit:

Stress ist mittlerweile für jeden von uns ein wichtiges Thema, denn niemand lebt wirklich stressfrei. Dabei kannst du akuten Stress, aufgrund zeitlich begrenzter Situationen, von chronischem Stress unterscheiden, bei dem du dauerhaft oder zumindest über längere Zeit meist verschiedenen Stressoren ausgesetzt bist.

Eine Stresssituation bewirkt kurzfristig in dir immer Reaktionen der Aktivierung, wie Muskelanspannung, Pulsbeschleunigung und die Produktion von Stresshormonen. Kommst du nach so einer Aktivierung nicht wieder zur Ruhe, da ständig neue Stressoren folgen, wird dein Stress chronisch und das hat langfristig natürlich Folgen für Körper, Geist und Psyche.

Du kannst deinen Stress kurzfristig reduzieren, indem du dich bewegst, bewusst aus der Situation aussteigst, einen Gedankenstopp machst und eine kurze Entspannungs- oder Atemübung durchführst.

Bei chronischem Stress helfen eher langfristige Maßnahmen, wie das Erlernen und regelmäßige Praktizieren einer Methode zur systematischen Entspannung, ein gesunder Lebensstil, der Auf- und Ausbau sozialer Unterstützung und das Überprüfen und Verändern der eigenen Einstellungen und des eigenen Verhaltens.

→ Falls du bei der Bewältigung deines Stresses gerne Unterstützung hättest, bin ich gerne für dich da!

Übrigens:

Wusstest du, dass unser Herz ein Resonanzkörper für viele Vitalitätsprozesse und Biorhythmen ist, die durch das zentrale und autonome Nervensystem gesteuert werden?

→ Unser Herz ist u.a. eng mit dem Gehirn sowie dem Organ-, Immun- und Hormonsystem verbunden und registriert jede noch so kleine Veränderung. Stress und dessen Auswirkungen in unserem Körper sind somit messbar!

Wenn du gerne wissen möchtest, welche „Spuren“ der Stress in dir und deinem Körper hinterlassen hat, dann habe ich hier ein spannendes Angebot für dich:

Das Zusammenspiel der Vitalfunktionen im Körper lässt sich über die sogenannte Herzratenvariabilität (HRV) erfassen und qualitativ bestimmen. Die Herzratenvariabilität erfasst in ca. 5 Minuten deine individuelle Stressbelastung und deren gesundheitliche Auswirkungen und liefert wichtige Informationen über dein gegenwärtiges Energie-, Fitness- und Regenerationsniveau.

Bei mir kannst du solch eine HRV- Analyse und somit einen Stresstest machen und herausfinden, wie dein Gesundheitszustand, dein Stressniveau und somit die Burnout- Gefahr ist und wie gut dein Körper den Stress (noch) regulieren und ausgleichen kann. Klingt spannend? Dann melde dich gerne bei mir!

Achtsam leben mit Hochsensibilität – Wie kann Achtsamkeit das Leben hochsensibler Menschen bereichern?

Hochsensibel zu sein in einer „lauten und schnellen Welt“ ist nicht immer einfach und stellt Menschen mit diesem Wesenszug mitunter vor vielfältige Herausforderungen.

Was bedeutet Hochsensibilität eigentlich?

Der Begriff „Hochsensibilität“ leitet sich vom englischen Begriff „HSP – Highly Sensitive Person“ ab. Das bedeutet, dass hochsensible Menschen eine feinere Wahrnehmung haben. Ihre Wahrnehmungskanäle sind offener und nehmen somit mehr Informationen aus der Umwelt wahr und auf. Man kann sich das auch so vorstellen, dass der Filter, durch den die vielen Wahrnehmungen jederzeit im Gehirn gefiltert werden, bei HSP großporiger und dadurch durchlässiger ist. Außerdem haben Forscher herausgefunden, dass Hochsensible Menschen die aufgenommen Eindrücke im Gehirn tiefer und komplexer verarbeiten. Sie müssen also mehr Informationen intensiver verarbeiten, was dazu führen kann, dass sie sich in stark stimulierenden Situationen überfordert fühlen. Das können volle Einkaufsläden sein, volle Straßenbahnen, Großraumbüros oder auch Familienfeiern.

Aber es gibt natürlich nicht nur diese Seite der feineren Wahrnehmung. So nehmen HSP mehr Details in der Umgebung wahr (Farben, Formen, Stimmungen), sind gewissenhaft, sorgfältig, empathisch und sehr begeisterungsfähig, können Querdenken und komplexe Zusammenhänge herstellen, haben ein hohe soziale Kompetenz und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Hochsensibilität ist somit ein Persönlichkeitsmerkmal (KEINE Krankheit!), welches große Potentiale beinhaltet, aber eben auch gewisse Herausforderungen mit sich bringt.

Etwa 15 bis 20 % der Bevölkerung hat diese hochsensible Veranlagung, und zwar Frauen und Männer zu gleichen Anteilen. Je nach Ausprägung können dabei verschiedene Hochsensibilitätsformen unterschieden werden:

  • sensorische Hochsensibilität,
  • emotionale Hochsensibilität,
  • kognitive Hochsensibilität und
  • spirituelle Hochsensibilität.

Welche Herausforderungen haben hochsensible Menschen zu meistern?

Man kann sich das sicher gut vorstellen: Sehr viel aus der Umgebung wahrzunehmen, wie zum Beispiel sämtliche Gerüche, Geräusche und die unterschiedlichsten Stimmungen anderer Menschen, kann schnell zu viel werden. Das vegetative Nervensystem von hochsensiblen Menschen ist durch die häufige Überstimulierung in einem andauernden Zustand der Übererregung. Deshalb fühlen sich HSP schneller überreizt, überfordert und gestresst als weniger sensible Menschen. Sie brauchen mehr Pausenzeiten, Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten, um dieser Übererregung entgegen zu wirken, sich zu erholen und die ganzen Eindrücke zu verarbeiten.

Viele hochsensible Menschen empfinden es als Fehler, weniger belastbar als andere zu sein und häufig haben sie das Gefühl „nicht in Ordnung zu sein“, „nicht dazu zu gehören“ oder „irgendwie anders zu sein“. Leider bekommen viele hochsensible Menschen schon als Kind solche Gefühle von ihrem Umfeld vermittelt. Bemerkungen wie „jetzt reiß dich doch mal zusammen“, „warum bist du denn immer so empfindlich“ oder „sei doch nicht immer so eine Mimose“ können allerdings bewirken, dass sich Menschen mit diesem Wesenszug…

  • unverstanden und nicht akzeptiert fühlen,
  • sich hinter einer „Schutz- Mauer“ verstecken,
  • ihre eigenen Bedürfnisse ignorieren oder
  • sich nur noch an ihrem „normalen Umfeld“ orientieren und sich selbst kaum noch wahrnehmen.

Dadurch kann es passieren, dass sich HSP sehr weit von sich selbst entfernen, sich permanent selbst überfordern („ich muss so stark sein, wie die anderen“) und ihnen Abgrenzung anderen gegenüber sehr schwerfällt (z.B. nicht „Nein“ sagen können, „Helfer- Syndrom“).

Wie kann ein guter Umgang mit diesen Herausforderungen und „Schattenseiten“ der Hochsensibilität gelingen?

Hochsensibilität ist ein Wesenszug und somit fester Bestandteil der Persönlichkeit. Es ist also nicht möglich, das irgendwie „abzustellen“. Auch kann man Hochsensibilität nicht weg therapieren, da es ja keine Krankheit ist. Als Allererstes ist es somit wichtig, die eigene Hoch-sensibilität zu erkennen und als Teil der eigenen Persönlichkeit zu akzeptieren.

Ist dieser Schritt erst einmal getan, dann ist es sehr hilfreich, die verschiedenen Aspekte der eigenen Hochsensibilität kennen zu lernen (In welchen Bereichen bin ich hochsensibel?) und die damit verbundenen Stärken als auch die „Schattenseiten“ herauszufinden. Nach dieser „Selbst- Erkenntnis“ kann dann die „Selbst- Entwicklung“ folgen.

 

Das Konzept der Achtsamkeit ist dazu besonders gut geeignet.

 

Doch was ist Achtsamkeit eigentlich?

Jon Kabat- Zinn, der Begründer der Achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (MBSR), definiert Achtsamkeit sehr knapp und präzise: „Achtsamkeit ist die Bewusstheit, die dadurch entsteht, indem man auf eine bestimmte Weise Aufmerksamkeit kultiviert: absichtsvoll, von Moment zu Moment und ohne zu urteilen.“

Etwas ausführlicher hat der buddhistische Mönch Nyanaponika Thera auf diese Frage geantwortet: „Reine Aufmerksamkeit ist das klare und ausgerichtete Gewahrsein dessen, was tatsächlich in jedem Moment der Wahrnehmung um uns und in uns geschieht…Aufmerksamkeit/ Achtsamkeit ist dann ein reines Registrieren der beobachteten Tatsachen, ohne auf sie durch Handeln, Sprechen oder mentale Kommentare zu reagieren.“

Kurz gesagt: Wenn wir achtsam sind, dann beobachten wir unsere momentanen Körper-empfindungen, Gedanken und Gefühle, ohne diese zu beurteilen oder irgendwie anders darauf einzugehen und sind dabei voll und ganz präsent im Augenblick!

 

Welche Möglichkeiten gibt es, Achtsamkeit zu kultivieren?

Um Achtsamkeit zu praktizieren, gibt es zwei Möglichkeiten:

  • die formelle Achtsamkeitspraxis und
  • die informelle Achtsamkeitspraxis

Zur formellen Achtsamkeitspraxis gehört die Meditation. Das bedeutet sich im Alltag Zeit zu nehmen und eine Meditationsübung durchzuführen. Dies kann eine kurze oder auch längere Übung sein und im Sitzen, Stehen, Gehen oder Liegen ausgeführt werden. Man steigt also ganz bewusst für eine Weile aus dem Alltagsablauf aus und meditiert.

Im Gegensatz dazu liegt eine informelle Praxis vor, wenn man Achtsamkeit auf etwas richtet, das man im Laufe des Alltags sowieso gerade ausführt. Das kann zum Beispiel bedeuten, sich beim morgendlichen Zähneputzen oder auch beim Einkaufen zu beobachten und dadurch der eigenen Körperempfindungen, Gedanken und Gefühle im Augenblick bewusst zu werden. Somit bringt man mehr Achtsamkeit in den Alltag hinein.

Um im Alltag achtsamer sein zu können (informelle Praxis), ist es unumgänglich, regelmäßig zu meditieren und sich dadurch in formeller Achtsamkeitspraxis zu üben.

 

Achtsam leben mit Hochsensibilität – Wie kann Achtsamkeit das Leben hochsensibler Menschen bereichern?

Mancher Hochsensible mag sich jetzt vielleicht fragen, warum er oder sie die oft zu vielen Wahrnehmungen genau registrieren sollte. Sind diese denn nicht sowieso schon immer zu überfordernd? Die Antwort lautet: Nur, wenn ich darauf einsteige, die vielen Wahrnehmungen interpretiere und mich mit der Überforderung identifiziere. Durch die regelmäßige Praxis des Meditierens (formelle Achtsamkeitspraxis) aktiviert man seinen „inneren Beobachter“ und nimmt quasi wie von außen und mit Abstand alles wahr, was gerade da ist. Dadurch bekommt man einen anderen Blickwinkel und einen größeren Bezugsrahmen, was unwahrscheinlich entlastend und entspannend wirken kann: Man nimmt einfach nur wahr und muss nicht darauf reagieren.

  • Meditation bringt Stille:

Hochsensible Menschen brauchen immer wieder Rückzugsmöglichkeiten und Pausen, um sich der Reizüberflutung entziehen zu können. Sich im Tagesablauf bewusst Zeit für Meditation zu nehmen, stellt eine sehr gute Rückzugsmöglichkeit dar. Während der Meditation kann sich das Gehirn in einer „reizarmen Umgebung“ sehr gut erholen und regenerieren. Dazu ist es wichtig, sich einen ruhigen Ort zu suchen, wo man wirklich für eine Weile ungestört ist.

Fängt man an zu meditieren, ist es sicherlich erst einmal eher im Außen still und im Inneren vielleicht sehr unruhig und bewegt. Aber sehr bald stellt sich auch im Inneren viel schneller Ruhe und Gelassenheit ein.

  • Achtsamkeit fördert Präsenz und Selbstwahrnehmung:

Viele Hochsensible Menschen sind nicht wirklich präsent, da sie sich entweder hinter einer „dicken Schutzmauer“ verbarrikadiert haben oder permanent mit ihrer Aufmerksamkeit im Außen sind, ihre feinen Antennen auf die nächste Wahrnehmung (zum Beispiel die Stimmungen der Anderen) ausrichten und sich dadurch sehr weit von sich selbst entfernen. Beides bewirkt, dass derjenige von seinen Mitmenschen kaum als eigenständige Person wahrgenommen wird: Der Mensch hinter einer Schutzmauer ist nicht zu sehen und jemand, der sich ständig am Außen orientiert, ist auch nicht zu erkennen. Oft berichten Hochsensible Menschen, dass sie sich selbst kaum noch als eigenständige Personen mit ihren vielfältigen Facetten und Bedürfnissen wahrnehmen.

Sowohl bei der Meditation (formelle Achtsamkeitspraxis) als auch durch Achtsamkeit im Alltag (informelle Praxis) lenkt man die Aufmerksamkeit immer wieder auf sich selbst: Man nimmt Eindrücke von außen wahr und bringt dann die Aufmerksamkeit immer und immer wieder auf die eigenen Körperempfindungen, Gefühle und Gedanken zurück. Das schult die Selbstwahrnehmung und bewirkt, dass man im Allgemeinen viel präsenter wird.

Für hochsensible Menschen kann das somit bedeuten, immer wieder in Kontakt mit sich selbst zu gehen und auch bei sich zu bleiben, sich selbst wieder mehr wahrzunehmen, besser kennenzulernen und sich dadurch auch im Außen mehr zu zeigen, eben präsenter für Andere zu sein. Außerdem gelingt durch eine bessere Präsenz und Selbstwahrnehmung die Abgrenzung anderen gegenüber viel besser. Das ist für viele Hochsensible Menschen ein enormer Gewinn, da sie oft Schwierigkeiten mit der eigenen Abgrenzung haben.

  • Achtsamkeit fördert Selbstakzeptanz, Selbstvertrauen und Selbstmitgefühl:

Wie bereits am Anfang dargestellt, haben viele hochsensible Menschen das Gefühl „nicht in Ordnung“ zu sein. Leider haben sie das schon sehr früh in ihrem Leben wiederholt von ihrem Umfeld auch so vermittelt bekommen. Wenn andere Menschen diese hochsensible Seite nicht akzeptieren können, verwundert es nicht, dass sich Hochsensible Menschen oft selbst auch nicht so akzeptieren, wie sie nun mal sind. Manche HSP sagen mitunter, „sie wünschten, sie würden nicht so viel fühlen“.

Das Umfeld kann oft die differenzierten Wahrnehmungen von sensibleren Menschen nicht nachvollziehen und reagiert dann mit Unverständnis („Was du da wahrnimmst, kann nicht sein.“). Das wiederrum kann zur Folge haben, dass dieser Hochsensible Mensch irgendwann seiner eigenen Wahrnehmung nicht mehr vertraut und selbst denkt, er bildet sich das alles nur ein.

Eine logische Schlussfolgerung vieler Menschen mit diesem Wesenszug ist es deshalb, ihre hochsensible Veranlagung einfach zu ignorieren und so zu tun, als hätte man genauso viel Energie wie die „Anderen“. Bei Gefühlen der Überforderung sagen sie sich dann selbst: „Ich muss so stark sein, wie die Anderen und mich nicht immer so anstellen.“

In der Meditation übt man, alles wahrzunehmen, was sich zeigt, ohne zu urteilen oder zu interpretieren. Mit der Zeit lernt der Meditierende immer besser, das was er wahrnimmt, einfach zu akzeptieren und nicht ständig zu hinterfragen. Das fördert die Selbstakzeptanz und natürlich das Vertrauen in die eigenen Wahrnehmungen. Hochsensible Menschen haben dadurch die Möglichkeit, ihre vielfältigen Wahrnehmungen wieder besser kennenzulernen, sich selbst und ihren Fähigkeiten mehr zu vertrauen und sich dann auch zu akzeptieren, so wie sie sind.

Mit mehr Selbstakzeptanz wird es hochsensiblen Menschen gelingen, wieder freundlicher und mitfühlender zu sich selbst zu sein. Sie werden sich die Pausen gönnen, die sie im Alltag brauchen, sich bei schwierigen Situationen gut zureden und sich selbst öfter mal etwas Gutes tun. Die Mitgefühlsmeditation und die Übung der Selbstmitgefühlspause sind zum Beispiel dafür besonders gut geeignet.

  • Achtsamkeit ist Selbstfürsorge:

Wenn man regelmäßig meditiert und versucht, immer mehr achtsame Augenblicke in den Alltag einzubauen, bedeutet das, sich selbst aktiv zuzuwenden, sich und seine Befindlichkeiten wichtig zu nehmen und sich gut um sich selbst zu kümmern. Achtsamkeit zu praktizieren, heißt also auch, Selbstfürsorge zu praktizieren. Dies ist für Hochsensible Menschen ebenfalls ein großer Gewinn, denn oft sind sie sehr mitfühlend mit Anderen und „vergessen“ dabei, sich um sich selbst zu kümmern (Stichwort „Helfersyndrom“).

 

Wie können hochsensible Menschen Achtsamkeit in ihr Leben integrieren?

Hast du deine hochsensible Veranlagung erkannt und möchtest nun mehr Achtsamkeit in dein Leben integrieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten dafür:

  • Du lernst in einem Achtsamkeitskurs verschiedene Meditationen und das Konzept der Achtsamkeit kennen.
  • Du kannst dir die Übungen natürlich auch selbst zu Hause aneignen. Allerdings bietet ein Kurs den Vorteil, dich mit anderen Teilnehmern, die vielleicht auch hochsensibel sind, auszutauschen. Außerdem haben solche Gruppen eine ganz eigene, hilfreiche Dynamik und stärken die Verbundenheit. Das wiederum verringert Gefühle von Einsamkeit, mit denen Hochsensible Menschen häufig zu kämpfen haben.
  • Du nimmst dir regelmäßig Zeit für die formelle Achtsamkeitspraxis = Meditation und schaffst dir einen entsprechenden Raum dafür in deinem zu Hause. Am besten wäre es, täglich zu meditieren. Wenn dir das nicht gelingt, versuche zumindest, regelmäßig jede Woche zu meditieren. Dafür gibt es kein Allgemeinrezept, da jeder Mensch unterschiedliche Möglichkeiten hat.
  • Du überlegst dir, welche Tageszeit für dich am besten zur Meditation geeignet ist: morgens, nach der Arbeit oder abends vor dem Schlafen etc.
  • Du legst selbst fest, wie lange du meditieren möchtest. Es ist allerdings ratsam, nicht allzu kurz zu üben, da es immer eine Weile dauert, bis man in der Meditation angekommen ist. Mindestens 10 bis 15 Minuten sind sinnvoll, besser sind 20 bis 25 Minuten. Du wirst deine optimale Zeit herausfinden.
  • Hast du dann bereits etwas Erfahrung in formeller Achtsamkeitspraxis gesammelt und gelingt es dir gut, dich auf die selbst zu fokussieren, kannst du auch mit der informellen Praxis anfangen. Dazu kannst du in verschiedenen Alltagssituationen bewusst darauf achten, was du wahrnehmen kannst an Körperempfindungen, Gefühlen und Gedanken. Zum Beispiel beim Hände waschen: Wie fühlt sich das Wasser auf deiner Haut an? Wie ist es, sich selbst die Hände zu halten/ zu berühren? Was macht dein Geist dabei? Kannst du bei dem Vorgang bleiben oder schweifen deine Gedanken ab? Wichtig dabei, ist immer daran zu denken: Du nimmst nur wahr, ohne zu beurteilen/ interpretieren!
  • Übe Achtsamkeit nicht nur in „angenehmen Situationen“, wie Hände waschen oder Pflanzen gießen, sondern auch mal in für dich als Hochsensibler Mensch eher unangenehmen Situationen, wie eine Fahrt im vollen Bus oder die Begegnung mit einem anstrengenden Kollegen.
  • Wichtig ist auch, Geduld mit dir zu haben und an der Achtsamkeitspraxis dran zu bleiben. Es heißt nicht umsonst „Praxis“. Man muss Achtsamkeit regelmäßig praktizieren, um Ergebnisse bemerken zu können. Übung macht auch hier den Meister!

Fazit:

Durch Achtsamkeit können hochsensible Menschen (HSP) ihrem bisherigen Leben eine neue Richtung geben und sich selbst weiterentwickeln. Dadurch wird es ihnen möglich sein, besser mit den Herausforderungen umgehen zu können, die ihre Hochsensibilität mit sich bringt. Ihr Leben wird leichter, gelassener, zufriedener und entspannter. Achtsam zu leben, kann den Alltag von Hochsensiblen Menschen somit sehr bereichern.

→ Dieser Artikel von mir ist ursprünglich am 02.05.2019 auf dem Online- Portal „Ratgeber Lifestyle“ veröffentlicht worden: Achtsam leben mit Hochsensibilität

Du bist hochsensibel und möchtest deinen Alltag durch Achtsamkeit anders gestalten und mehr Lebensfreude, Gelassenheit und Selbstakzeptanz für dich erreichen?

Dann nimm doch einfach mal an einem Achtsamkeitskurs für HSP „Achtsame Hochsensibilität“ teil und lerne zusammen mit anderen hochsensiblen Menschen verschiedene Meditationen und Hintergründe zum Konzept der Achtsamkeit kennen. Diese 8- wöchigen Kurse finden mehrmals im Jahr sowohl in Präsenz in meiner Praxis in Bielefeld als auch online per Zoom statt.

Wann der nächste Achtsamkeitskurs für HSP stattfindet, kannst du hier nachlesen: https://www.entwicklungswege-coaching.de/termine/hochsensibilitaet-hochsensible-menschen-hsp/

Wege durch die Angst – Entwicklung gibt es nur außerhalb deiner Komfortzone

Wir lesen immer wieder, dass es gut ist, raus aus der Komfortzone zu kommen. Vielleicht fragst du dich dann auch, so wie ich: “Warum sollte ich eigentlich meine Komfortzone verlassen? Es ist doch ganz schön hier.“ Und natürlich ist diese Frage berechtigt, denn wir sind gerne in unserer Komfortzone, die Sicherheit, Geborgenheit, Kontrolle und Gewohnheit bietet. Doch dennoch hat das Verharren in dieser bequemen Komfortzone einen Haken: Es findet darin so gut wie keine Weiterentwicklung deiner Persönlichkeit statt!

Jetzt kannst du natürlich auch gleich wieder die nächsten Fragen stellen: „Warum muss ich mich denn unbedingt weiterentwickeln? Kann ich nicht einfach mal so bleiben, wie ich jetzt bin?“ Klar, kannst du dich dazu entscheiden, dich nicht weiterzuentwickeln und einfach in deiner Komfortzone zu bleiben, wo du dich auskennst und alles beim Alten bleibt. Allerdings wäre das sehr schade, denn so würdest du viele Potentiale und Möglichkeiten, die in dir schlummern, niemals entdecken und entfalten können. Doch im Sinne der Humanistischen Psychologie ist genau diese Entfaltung unserer Potentiale und die Tendenz zur Selbstverwirklichung etwas, was tief in uns Menschen verwurzelt zu sein scheint.

Selbstverwirklichungstendenz – eine zentrale Energiequelle im menschlichen Organismus

Carl Rogers, ein wichtiger Vertreter der in den 1960er Jahren in den USA gegründeten Humanistischen Psychologie, hat diese Selbstverwirklichungstendenz (oder auch Aktualisierungstendenz) wie folgt beschrieben: „…ist die dem Organismus innewohnende Tendenz zur Entwicklung all seiner Möglichkeiten, und zwar so, dass sie der Erhaltung oder Förderung des Organismus dienen.“ Rogers war davon überzeugt, dass es eine zentrale Energiequelle im menschlichen Organismus gibt, quasi eine innere Motivationsquelle, die man sich als eine Tendenz zur Erfüllung, zur Selbstverwirklichung und nicht nur zur Erhaltung, sondern zur vollen Entfaltung des Organismus vorstellen kann.

Demnach ist der Drang nach Verwirklichung und Vervollkommnung der eigenen Person, sprich die volle Entfaltung aller in jedem von uns bereits vorhandenen Potentiale und Möglichkeiten, tief im Einzelnen verwurzelt. Doch um all unsere Möglichkeiten überhaupt kennenlernen und ausschöpfen zu können, müssen wir tatsächlich unsere Komfortzone verlassen.

Das 4- Zonen Modell für persönliches Wachstum

Im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung gibt es das 4- Zonen Modell, welches ich dir hier gerne kurz vorstellen möchte, da es sehr schön darstellt, was passiert, wenn wir unsere Komfortzone verlassen:

  • Die Komfortzone steht für Kontrolle, Sicherheit, Routine und Gewohnheit. Hier fühlst du dich wohl und kennst dich aus.
  • In der Angstzone begegnen dir Zweifel, Unsicherheit, Ausreden, Widerstand und ein geringes Selbstvertrauen, denn „was wäre, wenn es nicht klappt?“.
  • In der Lernzone erhältst du neue Möglichkeiten, kannst dich Ausprobieren und Erfolge feiern. Dort stellst du dich deinen Herausforderungen, löst Probleme und baust dadurch dein Selbstvertrauen auf. Hier machst du die Erfahrung, dass etwas Neues auch „gut funktionieren“ kann.
  • In der Wachstumszone erwarten dich Zielerreichung, Sinnfindung, Zufriedenheit, Selbstsicherheit, Erfüllung und Leichtigkeit.

Die Wachstumszone zu erreichen bedeutet somit persönliches Wachstum, Lernen und Fortschritt und ist genau das, wohin wir Menschen nach Carl Rogers streben.

Doch viele von uns brechen ihren Weg zu früh wieder ab, wenn sie die Angstzone betreten, weil sich dort die vielen Zweifel lautstark melden und die Gefühle von Unsicherheit und wenig Selbstvertrauen regelrecht lähmend wirken können. Dennoch sind wir lediglich „eine Zone“ von unserer persönlichen Weiterentwicklung entfernt. Wie könnte es dann gelingen, trotz aller Zweifel, Unsicherheit und Ausreden, sich neuen Herausforderungen zu stellen, neue Wege auszuprobieren, neue Erfahrungen zu machen und dadurch auch Erfolge zu feiern

„Mut bedeutet nicht, dass du keine Angst hast.

Mut bedeutet, dass du dich von der Angst nicht abhalten lässt!“

Wege durch die Angstzone

Sicher kennst du das auch, dass Angst ein sehr starkes Gefühl ist. Dennoch ist es nicht unmöglich, sich dieser Angst zu stellen und sie letztendlich auch zu überwinden. Ich habe dir hier nun ein paar Möglichkeiten zusammengestellt, die größtenteils aus dem Bereich der Mentaltechniken kommen und dir helfen können, trotz der Angst aus deiner Komfortzone herauszukommen und motiviert Neues zu wagen.

Dazu sind die Techniken auch thematisch etwas zusammengefasst und stammen alle mit Ausnahme des „Alles-ist-möglich-Tages“ aus dem Buch „Das Lexikon der Mentaltechniken“ von Claudia Bender & Michael Draksal (2009, Leipzig, Draksal Fachverlag):

1) Für Aktivierung, Motivation und Willensstärke

  • „Fünf- Minuten- Deal“: Bei dieser Mentaltechnik verspricht man sich, zumindest 5 Minuten lang an einer „Aufgabe“ zu arbeiten. Hat sich danach keine „echte“ Motivation eingestellt, hört man auf. Der Hintergrund ist, dass wenn man erst einmal in Bewegung ist, stellt man fest, dass die Aufgabe gar nicht so schwierig ist, wie erwartet, und führt sie dann doch zu Ende. Dieses Verfahren erleichtert das Anfangen, ist sehr effektiv und einfach durchzuführen.

Und so geht´s:

  • Versprich dir selbst, 5 Minuten lang an einer Aufgabe zu arbeiten und erst danach zu entscheiden, ob du aufgibst.
  • Höre auf zu jammern und fange einfach mit der Bearbeitung an.
  • Während dieser 5 Minuten lässt du keine Ablenkungen, Lustlosigkeit oder störende Gedanken zu, denn das ist der „Deal“.
  • Nach 5 Minuten machst du entweder weiter (was häufig der Fall sein wird) oder du hörst tatsächlich erst einmal auf.
  • „So tun, als ob“: Mein früherer Qigong- Lehrer hat öfter gesagt, wenn eine Übung etwas schwierig in der Umsetzung war: „Wenn du nicht weißt, wie du das jetzt machen sollst, dann tue einfach so, als ob du es wüsstest und könntest.“ Verhalten und Einstellung bedingen sich gegenseitig. Wenn man sich verhält, als wäre man zum Beispiel hochmotiviert, ein guter Redner oder mutig, hat das Einfluss auf den tatsächlichen Aktivierungsgrad. Denn das eigene Verhalten beeinflusst den mentalen Zustand enorm. Diese Technik lässt sich gut mit dem 5-Minuten- Deal verbinden.

Und so geht´s:

  • Vorbereitung: Überlege dir, was du gerade brauchst, um aus deiner Komfortzone herauszukommen. Ist das Motivation, Mut, Gelassenheit oder etwas anderes? Und dann mache dir bewusst, wie sich jemand verhält, der hochmotiviert, mutig oder gelassen ist, wie zum Beispiel ein erfolgreicher Athlet, ein Aktivist oder Zen- Mönch.
  • Anwendung: Schließe deine Augen, atme tief durch und erinnere dich an deine Vorbereitung. Spiele nun wie ein Schauspieler ein motiviertes, mutiges oder gelassenes Verhalten und übertreibe dabei ruhig bewusst deine Darstellung.
  • Stellt sich nach 3-5 Minuten immer noch keine Aktivierung ein („Ich kann mir selbst nichts vormachen“), dann ist vielleicht doch ein anderes Verfahren besser für dich geeignet.

2) Für Selbstvertrauen und mentale Stärke

  • „Nomen es Omen“: Dabei werden die Anfangsbuchstaben des eigenen Namens mit positiven Charaktereigenschaften belegt, zum Beispiel Mark = mutig, außergewöhnlich, raffiniert, kreativ. Diese Mentaltechnik hat etwas Verspieltes an sich und es darf auch ruhig gelacht werden, sowohl bei der Erstellung als auch bei der Anwendung, wie etwa kurz vor einer Prüfung oder schwierigen Aufgabe, um sich Mut zu machen.

Und so geht´s:

  • Schreibe auf ein DIN A4- Blatt groß und untereinander die einzelnen Buchstaben deines Vornamens.
  • Jeder Buchstabe deines Vornamens steht für eine ganz besondere Fähigkeit oder Eigenschaft von dir. Überlege dir, welche persönlichen Stärken das sind und finde positive, aussagekräftige Wörter mit den gleichen Anfangsbuchstaben.
  • Du kannst einen ganzen Satz daraus machen oder auch nur eine Aneinanderreihung von energiebringenden Adjektiven.
  • Als Beispiel habe ich das für meinen Namen mal gemacht: Katrin = Kompetent, attraktiv, tolerant, redegewandt, interessant, neugierig
  • „Ritual“: Rituale vermitteln Sicherheit und geben Halt. Auch wenn du dich in einer schwierigen oder ungewöhnlichen Situation befindest, die dich aus deiner Komfortzone herausgeholt hat, erzeugen eingeübte Routinen/ Rituale ein Gefühl der Vertrautheit, an das du jederzeit andocken kannst. Zum Beispiel ist bei Kindern das „Zu-Bett-Geh- Ritual“ am Abend sehr wichtig. Aber auch als Erwachsener bieten solche Rituale Halt und geben Geborgenheit, um seine Ressourcen für die nächste herausfordernde Situation wieder aufzubauen.

Und so geht´s:

  • Überlege dir ein Ritual, welches positive Gefühle in dir auslöst. Hier ein paar Anregungen: ein spezielles Lied anhören, einen Talisman in die Hand nehmen, einen bestimmten Ort aufsuchen (z.B. Wald), eine Tasse Kaffee oder Tee trinken, einfach tief durchatmen oder ein positives Selbstgespräch führen
  • Damit sich das Ritual in dein Gedächtnis einprägt und du es im „Notfall“ automatisch abrufen kannst, solltest du deine Rituale bewusst und mehrmals üben.
  • Dann kannst du sie einsetzen, wann immer du etwas Halt und Sicherheit in bestimmten Situationen gebrauchen kannst.
  • „Selbstargumentation“: Bei dieser Methode gehst du in einen inneren Dialog mit dir und findest bewusst zuversichtliche, positive, erfolgsorientierte Argument, warum dir eine bevorstehende Aufgabe gelingen wird. Du lenkst dadurch deine Gedanken auf die Zielerreichung, wodurch sich auch emotional eine optimistischere Grundhaltung einstellen wird.

Es gibt immer Gründe, die für oder gegen etwas sprechen. Bei einem geringen Selbstvertrauen nehmen wir vermehrt nur die Gründe des Scheiterns wahr und verstärken dadurch unsere Zweifel. Mit dieser Mentaltechnik setzt du ein wirkungsvolles Gegengewicht. Allerdings sollten deine Argumente realistisch sein und du solltest dich mit ihnen emotional identifizieren können.

Und so geht´s:

  • Nimm dir ein paar Minuten in einer ruhigen Umgebung Zeit und entspanne dich, indem du ein paar tiefere Atemzüge machst.
  • Dann nimm dir einen Zettel und Stift und schreibe darauf die Überschrift „Die Präsentation im Büro (oder andere herausfordernde Situation) – Warum ich es schaffe.“
  • Jetzt finde mindestens 10 Argumente, die dich bestärken, zum Beispiel „Ich habe mich sehr gut vorbereitet.“, „Ich habe überzeugende Argumente in meiner Präsentation.“, „Die herausragenden Ergebnisse meiner Arbeit sprechen für sich selbst.“ usw.
  • Zum Schluss liest du dir alle deine Argumente mehrmals durch und machst dir die Vielzahl nochmal ganz bewusst.
  • „Spitzname“: Mit dieser Mentaltechnik kannst du eine bevorstehende, herausfordernde Situation entkrampfen, indem du dir zunächst deine Stärken bewusst machst und diese dann in einem Spitznamen verdichtest. Lachen hilft, unangenehme Situationen besser zu bewältigen und deshalb ist das Entscheidende an dieser Methode, die Sache mit Humor zu nehmen. Dadurch entfaltet der Spitzname seine angsthemmende Wirkung.

Und so geht´s:

  • Finde mindestens 10 persönliche Stärken von dir und schreibe sie auf einen Zettel, zum Beispiel „Ich gebe stets mein Bestes“, „Ich bin kreativ“ usw.
  • Dann fasse alle deine Stärken in einem „Spitznamen oder Markenzeichen“ zusammen, wie „Energiesternchen“ oder „Adrenalinchen“
  • Vor einer herausfordernden Situation mache dir dann deinen Spitznamen ganz bewusst und sporne dich damit an „Energiesternchen, auch das wirst du schaffen.“
  • „Das Lösungszimmer“: In der Angstzone begegnen dir Zweifel, Sorgen und in Folge davon ein geringes Selbstvertrauen. Mit dem „Lösungszimmer“ kannst du diese Negativ- Spirale stoppen und deinen Fokus gezielt auf positive Aspekte richten durch lösungsorientierte Fragen, wie „Was kann ich jetzt tun, um meine Situation zu verbessern? Was ist der nächste Schritt, der mich einer Lösung näher bringt?“

Durch die Erfahrung, dass sich auch scheinbar unlösbare Aufgaben bewältigen lassen, stärkst du dein Selbstvertrauen und setzt positive Energie frei und bist in somit in deine Lernzone gekommen. Wenn du diese Technik regelmäßig anwendest, lernst du ganz nebenbei, dir realistischere Ziele zu setzen, da du die dazu nötigen Teilschritte besser einschätzen kannst.

Und so geht´s:

  • Bei auftauchenden Problemen und Hindernissen (oder eben Zweifeln, Sorgen und Ängsten) begibst du dich mental in dein „Lösungszimmer“. Stelle dir dazu ruhig ein konkretes Zimmer vor, setze dich auf einen bequemen Stuhl oder was für dich passt und stelle dir dann ganz bewusst nur noch lösungsorientierte Fragen, wie zum Beispiel „Welche Möglichkeiten habe ich jetzt?“. Du bekommst dadurch eine neue, optimistischere Haltung
  • Wichtig dabei ist: Hab nicht ständig das Problem als Ganzes vor Augen, sondern zerlege es in kleine, überschaubare Teilaufgaben, um ins Handeln zu kommen: „Was wäre ein erster Schritt, der mich meinem Ziel näherbringen würde?“
  • Solche „Etappenziele“ sind viel leichter zu erreichen und sorgen durch das anschließende Erfolgserlebnis für neue Motivation.
  • Auf diese Weise rückt das angestrebte Endziel immer näher.

3) Kreativitätstechniken

  • „Problem- Box“: Das ist eine Sorgen- Box, die deine sorgenvollen Gedanken einmal bewusst aufschiebt, damit du dich besser auf die Bewältigung einer Aufgabe oder herausfordernden Situation fokussieren kannst. Problemlösungen erfordern oft Kreativität, die von im Kopf herumkreisenden Sorgen blockiert wird. Deshalb kann es helfen, für eine gewisse Zeit deinen Kopf frei zu bekommen, indem du deine Sorgen, Ängste und Zweifel auf einen Zettel schreibst und in eine Problem- Box steckst. Du kannst das in deiner mentalen Vorstellung tun mit einer imaginären Problem- Box. Allerdings ist eine „echte“ Problem- Box noch wirkungsvoller.

Und so geht´s:

  • Vorbereitung: Suche dir eine Schachtel, zum Beispiel Schuhkarton, und beschrifte ihn mit der Aufschrift „Problem- Box“.
  • Wenn du dann bemerkst, dass dich Ängste, Zweifel und innere Widerstände in einer anstehenden Aufgabe blockieren, nimm die Problem- Box zur Hilfe und schreibe alles, was dich belastet, auf einen Zettel und stecke ihn in den Kummerkasten.
  • Gib dir dabei das Versprechen: “Für die nächsten 60 Minuten lasse ich all meine Sorgen hier in der Problem- Box. Nachdem ich meine Aufgabe erledigt habe, nehme ich den Zettel wieder hervor. Bis dahin bin ich von allem befreit.“
  • Damit dieses bewusste Aufschieben auch klappt, ist es wichtig, den Zettel anschließend tatsächlich wieder vorzunehmen. Dann könnte die Technik „Lösungszimmer“ ganz hilfreich sein, um in die Lösungsorientierung im Umgang mit deinen Sorgen und Problemen zu kommen.
  • „Alles-ist-möglich-Tag“: Diese Idee stammt aus der US- Serie „Big Bang Theory“ und ich finde sie sehr gut geeignet, um regelmäßig und bewusst aus seiner Komfortzone herauszugehen und auf eine spielerische, kreative Art und Weise in die Lernzone zu kommen. Die Lernzone steht ja für ein sich Ausprobieren und kennenlernen neuer Möglichkeiten. Und somit kannst dir einen Tag in der Woche heraussuchen (bei „Big Bang Theory“ war es der Donnerstag), an dem du bewusst neue Sachen ausprobierst, somit neue Erfahrungen sammelst und auch dich selbst besser kennenlernst. Du kannst dadurch in „gut portionierten kleinen Schritten“ regelmäßig in deine Lernzone kommen, ohne dass du dich dabei mit größeren Ängsten oder Zweifeln konfrontieren musst.

Und so geht´s:

  • Vorbereitung: Überlege dir, welcher Wochentag dein „Alles-ist-möglich-Tag“ sein soll.
  • Anwendung: Nun machst du jede Woche an diesem ausgewählten Wochentag bewusst etwas anders, als du es bisher getan hast, zum Beispiel gehst du eine größere Strecke zu Fuß, die du sonst mit dem Auto fährst oder du bestellst beim Griechen, obwohl du sonst eher Pizza isst oder zu fängst mit einer völlig unbekannten Person beim Einkaufen ein Gespräch an usw.

Fazit:

Deine Komfortzone ist ein dir vertrauter und sicherer Ort, der allerdings so gut wie keine persönliche Weiterentwicklung bietet. Allerdings scheint es in jedem von uns eine zentrale Energiequelle oder innere Motivationsquelle zu geben, die uns dazu „antreibt“, möglichst viele unserer Potentiale zu entfalten und uns selbst zu verwirklichen. Dazu musst du aber deine Komfortzone verlassen und durch die Angstzone gehen, um in der Lernzone neue Erfahrungen zu machen und auch Erfolge feiern zu können.

Um gut durch die Angstzone zu kommen, gibt es aus dem Bereich der Mentaltechniken einige Methoden, die dir dabei helfen können, dich zu aktivieren, zu motivieren und Willensstärke aufzubauen. Dazu gibt es auch Techniken, mit denen du dein Selbstvertrauen und mentale Stärke aufbauen kannst. Und auch mit Kreativitätstechniken findest du Wege durch die Angst.

Schreibe gerne unten einen Kommentar zu deinen Erfahrungen mit meinen vorgestellten Ideen oder aber auch, welche Möglichkeiten du noch kennst! Ich freue mich auf deine Rückmeldung…

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In der Natur entspannen

Viele Menschen haben inzwischen verstanden, dass es wichtig ist, etwas gegen ihren Stress und dessen Folgen zu unternehmen und für Entspannung zu sorgen. Mir ist allerdings in den vielen Jahren, in denen ich Entspannungskurse anbiete, aufgefallen, dass die Menschen eher nur im Herbst und Winter solche Angebote nutzen.

Natürlich ist es verständlich, dass sich viele lieber draußen aufhalten, solange es länger hell und wärmer ist. Dennoch sind wir das ganze Jahr über unseren Stressoren ausgesetzt und sollten auch im Frühjahr und Sommer etwas tun, um zu entspannen und zur Ruhe zu kommen.

Wenn du auch in den wärmeren und helleren Jahreszeiten lieber draußen in der Natur bist und nun gerne wissen möchtest, wie du dabei entspannen und deine Energiereserven auffüllen kannst, dann habe ich in diesem Artikel ein paar Ideen für dich.

Entspannung bedeutet, auf die Bremse zu treten

Bevor ich dir meine Ideen vorstelle, möchte ich hier kurz noch beschreiben, was Entspannung eigentlich ist: Wenn du dich entspannst, dann kommst du aus einem Zustand übersteigerter Tätigkeit (= körperliche und geistige Aktivität und Anspannung) in einen Zustand körperlich, geistig- mentalen und seelischen Gleichgewichts zurück. Alles in dir beruhigt sich und kann seinen Normalzustand wiedererlangen. Zum Beispiel lockern sich deine Muskeln, die Stresshormone und der Blutdruck sinken und die Gedanken werden ruhiger.

Für die Aktivität und Anspannung ist der Sympathikus zuständig, das „Gaspedal“ in deinem vegetativen Nervensystem (VNS). Für die Entspannung und Rückkehr zum Normalzustand ist der Parasympathikus als „Bremse“ im vegetativen Nervensystem verantwortlich. Das bedeutet also, um zu entspannen, solltest du auf die „Bremse“ treten und deinen Parasympathikus aktivieren.

Hier sind 8 Ideen, wie du draußen und in der Natur deinen Parasympathikus/ deine Bremse aktivierst

Idee Nr. 1: Beobachte etwas Langsames

Wenn du zum Beispiel eine Schildkröte, eine Schnecke oder ein anderes Tier beobachtest, welches sich nur sehr langsam bewegt, wird deine „innere Bremse“ aktiviert und diese Langsamkeit kann sich auf dich übertragen. Auch wenn du dir etwas Langsames mit geschlossenen Augen einfach nur vorstellst, vielleicht auf einer Parkbank sitzend, hat das einen ähnlichen Effekt für dein vegetatives Nervensystem und den Parasympathikus.

Idee Nr. 2: Beobachte etwas mit einer wiederkehrenden Schwingung

Neben Langsamkeit beruhigt auch das Beobachten von wiederkehrenden Schwingungen, zum Beispiel einem im Wind schwingenden Vorhang oder einer Fahne, dein vegetatives Nervensystem.

Idee Nr. 3: Beobachte etwas im Wasser

Wenn du auf einer Brücke stehst, die über einen Bach oder kleinen Fluss führt, dann wirf einmal Äste, Blätter oder Blüten ins Wasser und beobachte, wie diese von der Strömung weggetragen werden. Das Wasser fließt vielleicht nicht unbedingt langsam, aber dafür gleichmäßig und diese Gleichmäßigkeit wirkt auf dich beruhigend und stärkt deinen Parasympathikus.

Idee Nr. 4: Geräusche in der Nähe wahrnehmen

Wenn du in einem Park oder woanders in der Natur unterwegs bist, dann bleib stehen oder setze dich kurz einmal hin und schließe deine Augen. Und nun nimm wahr, was es in deiner Nähe zu hören gibt, wie etwa das gleichmäßige Rascheln von Blättern im Wind oder das leise Rauschen eines Baches oder Flusses, und bleibe für ein paar Minuten bei der Wahrnehmung dieser Geräusche. Das wird dich ebenfalls zur Ruhe kommen lassen und entspannen.

Idee Nr. 5: Atmen und Gehen

Im Stress wird unsere Atmung oft flacher und wir atmen tiefer ein als aus. Das wiederum aktiviert den Sympathikus, unser Gaspedal, und führt eher zu noch mehr Aktivität. Möchtest du nun etwas für deine Entspannung tun, kannst du dich im bewussten Atmen üben. Anfangs ist es sicher leichter, das Ein- und Ausatmen gleich lang zu gestalten. Das kannst du in der Natur üben, indem du beim Gehen auf einem Weg oder Wiese oder aber auch beim Hinuntergehen einer Treppe bewusst über 3 bis 5 Schritte oder Stufen gleichmäßig ein und wieder ausatmest. Das heißt, du atmest zum Beispiel über 5 Schritte ein und danach über 5 Schritte wieder aus. Damit das gut klappt, ist es hilfreich, nicht nur mit dem Brustkorb zu atmen, sondern auch das Zwerchfell und den Bauch mit einzubeziehen.

Mit etwas Übung kannst du dann das bewusste Atmen im Gehen noch etwas verändern und doppelt so lange ausatmen als einatmen, zum Beispiel über 3 Schritte ein und 6 Schritte ausatmen oder über 4 Schritte ein und 8 Schritte ausatmen. Das längere Ausatmen gelingt oft besser, wenn du dabei einen F- Laut machst. Durch das längere Ausatmen aktivierst du direkt deinen Parasympathikus und kannst recht schnell zur Ruhe kommen. Wenn du diese Übung draußen in der Natur, im Park oder Wald machst, atmest du außerdem noch viel frische Luft und Sauerstoff ein.

Idee Nr. 6: Langes Ausatmen

Wenn dir solche Atemübungen vielleicht etwas schwerfallen, dann kannst du dich dennoch im langen Ausatmen üben, indem du Seifenblasen machst oder Luftballons aufbläst. Bei Beidem atmest du lange aus und hast auch noch Spaß dabei, was deine Ressourcen auch gut wieder auffüllt. Wirf den oder die Luftballons dann noch mit einem oder auch mehreren Spielpartnern hin und her, dann hast du auch gleich noch etwas Bewegung dazu. Und durch diese Bewegung werden die Stresshormone nebenbei auch noch schneller mit abgebaut.

Idee Nr. 7: Praktiziere Entspannungstechniken

Und natürlich kannst du alle Entspannungstechniken, die du vielleicht schon einmal in einem Kurs gelernt hast, auch draußen in der Natur machen. Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Qigong, Yoga, Autogenes Training lassen sich sehr gut auf einer Wiese im Park oder etwas abgelegener im Wald praktizieren.

Idee Nr. 8: Verbringe Zeit mit netten Menschen

Immer wieder wird betont, dass der Kontakt zu anderen Menschen wichtig ist. Dabei ist es besonders hilfreich, wenn du dich mit aufbauenden Menschen umgibst, die dich unterstützen, dir viel Energie geben und der Kontakt mit ihnen einfach guttut. Denn ein entspanntes Zusammensein mit netten Menschen, inspirierende Gespräche, gemeinsames Essen, Trinken und Lachen sowie das Gefühl von Verbundenheit und Sicherheit aktivieren deinen Parasympathikus und wirken somit entspannend.

Ich lade dich ein, einfach mal etwas von diesen Ideen auszuprobieren, wenn du draußen in der Natur unterwegs bist. Und wenn du magst, schreibe gerne unten einen Kommentar zu deinen Erfahrungen mit meinen vorgestellten Ideen oder aber auch, welche Möglichkeiten und Übungen du noch kennst, um in der Natur zu entspannen.

Ich freue mich auf deine Rückmeldung und wünsche dir viel Freude und Erfolg bei der Umsetzung!

Du möchtest noch mehr Entspannungsmethoden kennenlernen?

Dann nimm doch einfach mal an einem meiner Entspannungskurse teil. In diesen unterschiedlich konzipierten und mehrwöchigen Kursen stelle ich dir verschiedene Entspannungsmethoden vor und du kannst für dich herausfinden, welche davon dir besonders guttun.

Wann der nächste Entspannungskurs in Präsenz oder online per Zoom stattfindet, kannst du hier nachlesen: https://www.entwicklungswege-coaching.de/termine/achtsamkeit-energiearbeit-entspannung/