In vielen Studien wurde wiederholt aufgezeigt, dass Stress schon lange kein reines „Erwachsenen- Thema“ mehr ist, sondern ca. 30 bis 40% der Kinder und Jugendlichen angeben, oft oder sogar sehr oft gestresst zu sein. Diese Entwicklung hat sicher verschiedene Ursachen, aber vor allem der stetig ansteigende Leistungs-, Vergleichs- und Erwartungsdruck belastet Kinder schon ab dem Grundschulalter.
Dazu kommt noch, dass auch die Erwachsenen immer häufiger gestresst sind und dieser Stress sich auf ihre Kinder „übertragen“ kann, vor allem wenn die Kinder etwas empfindsamer sind und dadurch sensibler auf ihre Umwelt reagieren (sprich „hochsensibel“ sind). Typische Stresssymptome, wie Schlafstörungen, Bauchschmerzen, Müdigkeit, innere/ äußere Unruhe oder Konzentrationsstörungen können somit schon bei kleineren Kindern auftreten. Damit sie sich trotz der vielfältigen Anforderungen und Stressoren der heutigen Zeit gut entwickeln können und physisch sowie psychisch gesund bleiben, sollten schon kleine Kinder verschiedene Entspannungs-, Achtsamkeits- und Ruheübungen kennenlernen.
Doch gibt es denn eigentlich Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen speziell für Kinder?
Vielleicht fragst du dich das jetzt gerade. Und Ja, die gibt es tatsächlich! Mittlerweile gibt es für sämtliche Entspannungsmethoden und zum Achtsamkeitstraining kindgerecht entwickelte Übungen.
Solche Übungen speziell für Kinder sind im Prinzip ähnlich aufgebaut, wie für Erwachsene, enthalten aber spielerische Komponenten und werden meist anders bezeichnet. Damit die Kinder die Übungen gut mitmachen, sind sie oft in kleine Geschichten eingebunden, beinhalten verschiedene Bilder oder beziehen sich auf Tiere. Was das für Übungen sind, möchte ich in diesem Artikel kurz vorstellen und dir somit einen kompakten Überblick geben.
Welche Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen gibt es für Kinder?
- Achtsamkeitsübungen für Kinder:
Dazu gehören Atemübungen, wie zum Beispiel „Bienen- oder Schlangenatem“, „Warmer Kakao“ oder „Pusteblume“, aber auch kurze Achtsamkeitsübungen, wie zum Beispiel „Füße spüren“, „Achtsames Gehen“, „Body Scan“ oder „Der Klangschale lauschen“, sowie Kinder- Yoga, bei dem die Asanas lustige Namen haben wie „Wippe“, „Brett“, „Fels“, „Schildkröte“ oder „Held“.
Eine Atemübung, die schon für kleine Kinder ab 3 Jahren gut geeignet ist, aber auch etwas abgewandelt mit älteren Kindern gut durchgeführt werden kann, möchte ich dir hier kurz vorstellen, denn sie hat diesem Artikel auch den Namen gegeben:
„Schlaf gut, kleiner Freund“: ist eine einfache Methode zur Stressbewältigung, fördert Achtsamkeit und Selbstregulation und beruhigt Körper und Geist. Dabei lernt das Kind sich zu entspannen und seine Atmung zu regulieren, indem es sich ein Stofftier auf den Bauch legt und dessen Bewegung beim Atmen beobachtet. Das Kind wird angeleitet, tief ein und auszuatmen und dabei zu beobachten, wie sein Stofftier sanft mit jedem Atemzug nach oben und unten schwingt. Es kann sich auch vorstellen, sein Stofftier in den Schlaf zu wiegen, und dabei die Atmung immer langsamer und gleichmäßiger werden zu lassen.
Nach einigen Minuten kannst du die Übung beenden und mit deinem Kind über dessen Erfahrung sprechen. Denn letztendlich ist Achtsamkeit etwas, was man erfahren und erleben darf und es hilft, diese Erfahrungen im Nachhinein mit jemanden zu teilen. Außerdem unterstützt es die Eltern- Kind- Bindung, wenn das Kind sich mitteilen kann. Für ältere Kinder und Jugendliche kann man statt dem Stofftier auch einen kleinen (Heil-)Stein, ein Tuch oder einfach die flache Hand verwenden und auf den Bauch legen lassen.
- Entspannungsübungen für Kinder:
Auch in diesem Bereich gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, denn neben verschiedenen Entspannungsübungen gibt es auch Traum- oder Fantasiereisen, Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training, Qigong und Kinesiologie für Kinder.
→ Entspannungsübungen:
Ich möchte dir drei Entspannungsübungen hier kurz vorstellen, die mir persönlich ganz besonders gut gefallen:
- „Goldstaub für dich“ ist eine kurze Visualisierungsübung, bei der sich das Kind mit ausgebreiteten Armen und nach oben gehaltenen Händen hinstellt und sich dann vorstellt, jetzt unter einer strahlend weißen Wolke zu stehen. Durch den feinen, goldenen Regen, der aus der Wolke auf das Kind dann herabregnet, kann es pure Glücksenergie aufnehmen, die sich immer weiter im Körper ausbreitet. Wenn die Füße anfangen zu kribbeln, kann das Kind die Beine ausschütteln und sich vorstellen, alles Unangenehme mit abzuschütteln.
- Rückenmassage „Am Zaubersee“ kann schon mit ganz kleinen Kindern (ab 2 Jahre) als Rückenwahrnehmungsspiel durchgeführt werden. Dabei werden verschiedene Tiere angesprochen und sanfte Bewegungen auf dem Rücken des Kindes wie folgt gemacht:
Der dicke Bär tapst durch den Wald = Fäuste sanft klopfend vom unteren zu oberen Rücken bewegen/ Der trifft den grünen Frosch schon bald = mit den Fingerkuppen über den Rücken „hüpfen“/ Der hüpft zum kleinen Zaubersee = Wellenlinien auf dem Rücken malen/ Dort schwimmt die schöne Wasserfee = mit Händen kreisende Bewegungen auf dem Rücken beschreiben/ Die Kröte wühlt im feuchten Schlamm = Schultern kneten/ Die Schlange schleicht durchs Gras heran = Schlangenlinien von unten nach oben malen/ Die Sonne nimmt dich in den Arm = Rücken ausstreichen/ Und macht den ganzen Körper warm = über Schultern und Arme streichen, dann Handflächen aneinander reiben und warme Hände auf den Rücken legen.
- „Ein Tier als Freund“ ist wieder eine Visualisierungsübung, bei der sich das Kind mit einem „Krafttier“ verbinden kann. Dabei wird das Kind eingeladen sich vorzustellen, in der Natur zu sein, vielleicht an einem selbst gewählten Wohlfühl- oder Lieblingsplatz. Als es plötzlich leise raschelt, erkennt das Kind ein Tier hinter einem Busch, was es beobachtet und wird dann gefragt, welches Tier das ist. Das Kind kann das Tier zu sich kommen und neben sich setzen lassen und ihm eine Frage stellen, ein Geheimnis oder Problem erzählen (in Gedanken, muss nicht laut ausgesprochen werden). Immer wenn das Kind möchte, kann es sein „Krafttier“ rufen, sodass es bei ihm ist und ihm helfen kann.
→ Traum- oder Fantasiereisen:
Aus solchen kurzen Visualisierungsübungen können auch etwas längere Traum- oder Fantasiereisen erstellt werden. Dabei werden fantasievolle Geschichten mit glücklichem Ausgang erzählt, wobei das Kind eine zentrale Rolle spielt. Inhalt und Länge solcher Geschichten richten sich dabei nach dem Alter des Kindes und es können auch vom Kind selbst erlebte Situationen mit eingebunden werden, zum Beispiel schöne Erlebnisse aus dem letzten Urlaub. Es kann auch nach dem Finden eines „Krafttieres“ eine Fantasiereise mit diesem Tier gemacht werden, wo es darum geht, sich mit den besonderen Qualitäten dieses Tieres zu verbinden und diese in sich selbst zu spüren, zum Beispiel stark wie der Bär zu sein oder langsam und gelassen wie die Schildkröte.
Bei Traumreisen werden die Bilder genauer vorgegeben. Wenn zum Beispiel eine Reise mit dem Titel „Heute übernachtest du im Garten“ angeleitet wird, beschreibst du, wie der Garten aussieht – „neben dem Zaun steht ein Apfelbaum und du legst dich jetzt unter diesen Baum“.
Dagegen wird bei Fantasiereisen viel der Fantasie des Kindes überlassen, wie es der Name ja auch schon sagt. Bei der Reise „Heute übernachtest du im Garten“ würdest du somit das Bild eines Gartens im Kind selbst entstehen lassen und leitest das auch so an – „stelle dir diesen Garten einmal vor und schau, was es da jetzt alles zu entdecken gibt und an welcher Stelle du dort heute übernachten möchtest“.
→ Progressive Muskelentspannung und Autogenes Training:
Ebenfalls in kleine Geschichten eingebunden können mit Kindern auch die „klassischen Entspannungsverfahren“ Autogenes Training und Progressive Muskelentspannung durchgeführt werden. Während beim Autogenen Training die Formeln „Ich bin ruhig – schwer – warm – entspannt“ – alles im Körper spürbare Entspannungsreaktionen – in die erzählte Geschichte eingebunden werden, geht es bei der Progressiven Muskelentspannung um das bewusste Anspannen und wieder loslassen verschiedener Muskelgruppen. Nach dem Entspannen der einzelnen Muskelgruppen können die Kinder der wohltuenden Lockerung nachspüren und lernen dadurch ihren Körper besser kennen. Die Muskelentspannung kann zum Beispiel als eine Zirkusgeschichte durchgeführt werden, die eine Mitmach- Geschichte ist, das heißt die Zirkuskünstler machen allerlei mit ihren Muskeln und das Kind wird eingeladen, das einfach mitzumachen.
→Kinder- Qigong:
Das ursprünglich aus Asien stammende Qigong bedeutet so viel wie „Energie- Arbeit“ und besteht aus langsamen, sich wiederholenden Bewegungsabläufen. Dadurch soll die Energie im Körper in einen harmonischen Fluss gebracht werden, was gleichzeitig auch entspannend wirkt. Qigong ist schon tausende Jahre alt, aber erst in den 1980er Jahren wurde in der westlichen Welt eine Version für Kinder entwickelt. Auf kindgerechte Art kann hier das Kind zum Beispiel zusammen mit dem kleinen Maulwurf (oder einem anderen Tier) verschiedene Bewegungs- und Energieübungen kennenlernen, die den Körper kräftigen und den Geist beruhigen. Solche Übungen können sein „Der kleine Maulwurf macht sich Platz“ oder „Der kleine Maulwurf putzt sein Fell“ und sind zum Beispiel ganz praktisch als Karten- Set zu erhalten.
→ Kinesiologie für Kinder:
Die Kinesiologie wurde aus Elementen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und der Chiropraktik in den 1960er Jahren entwickelt, aber auch Erkenntnisse aus der Gehirn- und Stressforschung spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie wird auch als eine natürliche Methode der Stressbewältigung bezeichnet. Mit kinesiologischen Übungen ist es somit möglich, sich schnell und effektiv zu entspannen, seine Energie wieder aufzufüllen und auch Blockaden aufzulösen, wie zum Beispiel „Denkblockaden“ bei Hausaufgaben, die oft entstehen, wenn durch den Einfluss von Stressfaktoren die linke und rechte Gehirnhälfte nicht mehr gut miteinander kommunizieren können.
Mit Kindern kann man hierbei genau dieselben Übungen machen, wir mit Erwachsenen auch, und gibt ihnen spannend klingende Namen, wie „den Energiestrom einschalten“, „die Gehirnknöpfe massieren“, „den Wut- Punkt klopfen“ oder „der Elefant macht die liegende Acht“. Besonders hilfreich sind für Kinder „Überkreuz- Bewegungen“, wobei Bewegungen über die Körpermitte gemacht werden, zum Beispiel mit der linken Hand zum rechten Knie und mit der rechten Hand zum linken Knie bewegt wird. Das stärkt den sogenannten „Balken“ = Nervenzellen in der Mitte des Gehirns, die linke und rechte Gehirnhälfte verbinden. Dadurch können Stress, Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten bei Kindern beseitigt werden und die Übungen machen auch noch richtig Spaß.
Ab welchem Alter können mit Kindern welche Übungen durchgeführt werden?
Die Antwort ist ganz einfach: Am besten fangen Eltern möglichst früh an, ihr Kind an Entspannung und auch Achtsamkeit heranzuführen!
- Schon im Babyalter könnten die Kleinen die wohltuende Wirkung einer Babymassage kennenlernen und dadurch ganz selbstverständlich in die Entspannung hineinwachsen. Berührung ist ja essentiell für ein Baby und Kuschelzeiten sind immer schöne Entspannungsmomente, die Geborgenheit geben und die Eltern- Kind- Bindung stärken.
- Ab 2 Jahren sind Rückenwahrnehmungsspiele sehr gut für den Spannungsabbau geeignet.
- Ab dem Kindergartenalter können Yoga, Progressive Muskelentspannung und Fantasiereisen mit den Kindern ausprobiert werden. Wichtig ist dabei immer, nach den individuellen Möglichkeiten und Vorlieben des Kindes zu schauen und die Methode entsprechend danach auszuwählen.
- Ab 6 Jahren (Vorschul- und Grundschulalter) können zusätzlich auch noch Autogenes Training, Bodyscan, Atemübungen und andere Achtsamkeitsübungen durchgeführt werden.
- Mit älteren Kindern und Jugendlichen können dann im Prinzip alle hier aufgeführten Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen gemacht und in entsprechend, andere Geschichten und Bilder eingebettet werden, als für kleinere Kinder. So sind beim Yoga die Asanas „Held“ und „Boot“ für Jugendliche vielleicht spannender als „Katze“ und „Hund“. Bei Jugendlichen sind Partnerübungen sehr beliebt. Auch die Verbindung mit einem Krafttier und dessen Stärken ist für Jugendliche eine sehr ansprechende Möglichkeit, eine bessere Selbstregulation zu erlernen.
Entspannte Kinder im Alltag – ein paar Tipps zum Abschluss
Zum Schluss möchte ich dir noch kurz ein paar Ideen mit auf den Weg geben, die Kindern und Jugendlichen helfen werden, den Alltag entspannter zu meistern:
- Eltern sollten Vorbild sein und auf mehr Ruhe im Alltag achten.
- Es hilft sehr, wenn im Alltag Reize reduziert werden, wie zum Beispiel Medienkonsum, Spielzeugberge im Kinderzimmer, Angeboten an Aktivitäten oder Verpflichtungen mit Terminen.
- Achte täglich darauf, dass es einen ausgeglichenen Wechsel an Bewegung und Ruhe mit viel freier Zeit für das Kind gibt.
- Als Elternteil solltest du ein Gefühl dafür bekommen, wann dein Kind eine Auszeit braucht (es gibt klare Anzeichen dafür) und ihnen die Pause auch zu ermöglichen statt sie mit neuen Impulsen zu füttern. Das ist besonders wichtig, wenn du ein hochsensibles Kind hast.
- Möglichst früh mit Entspannungsverfahren für dein Kind beginnen, am besten bereits im Babyalter.
- Entspannungspausen – ob Körperübung, Kuschelzeiten oder anderes – fest im Alltag verankern, zum Beispiel als Ritual nach dem Heimkommen, vor den Hausaufgaben oder zum Einschlafen.
- Die Übungen langsam, spielerisch und ohne Druck und Zwang einführen.
- Altersgerechte Methoden wählen und dabei die Interessen und Fähigkeiten deines Kindes berücksichtigen.
- Die Entspannungseinheiten stets nach einer Bewegungsphase und nie direkt nach dem Essen sanft einleiten, etwa mit einem Puzzle oder einem Wahrnehmungsspiel (Sanduhr beobachten etc.).
- Bleibe immer dabei, unterstütze und beruhige im Zweifelsfall dein Kind, wenn Angstreaktionen (z.B. durch eine Fantasiereise) auftreten. Und lobe dein Kind viel, vor allem am Anfang, wenn es mit der Entspannung noch nicht so gut klappt.
- Am besten macht ihr die Übungen gemeinsam, was dir sicher auch ganz guttut und dich entspannt.
Ich wünsche dir und deinem Kind eine entspannte, gemeinsame Zeit und falls du noch Fragen hast, nimm gerne Kontakt mit mir auf.
→ Du möchtest für dich Entspannungsmethoden kennenlernen?
Dann nimm doch einfach mal an einem meiner Entspannungskurse teil. In diesen unterschiedlich konzipierten und mehrwöchigen Kursen stelle ich dir verschiedene Entspannungsmethoden vor und du kannst für dich herausfinden, welche davon dir besonders guttun.
Wann der nächste Entspannungskurs in Präsenz oder online per Zoom stattfindet, kannst du hier nachlesen: https://www.entwicklungswege-coaching.de/termine/achtsamkeit-energiearbeit-entspannung/
→ Außerdem plane ich ab 2026 Entspannungs- und Achtsamkeitskurse für besonders feinfühlige = hochsensible Kinder in meiner Praxis anzubieten! Wenn du daran Interesse hast, findest du hier zu gegebener Zeit mehr Informationen: https://www.entwicklungswege-coaching.de/termine/hochsensibilitaet-hochsensible-menschen-hsp/

